Meine Erfahrungen: Fallbeispiele in der Faszientherapie

„Ich fühlte mich wie ein ausgeschütteltes Federkissen. Befreit und luftig.“ Das, liebe/r Leser/in, sagte neulich eine Kundin über den anschließenden Effekt einer Ganzkörper-Faszienmassage. Diese Metapher fand ich großartig. Ein über die Nacht plattgewalztes und zusammengedrücktes Federkissen, was dann am nächsten Tag, natürlich idealerweise bei frischer Luft, ausgiebig ausgeschüttelt wird und sich zu seinem ursprünglichen kuscheligen Volumen entfaltet. In diesem Zusammenhang dachte ich an so einige Kunden und Patienten, die sich wahrscheinlich ähnlich fühlten. Hier nun, liebe/r Leser/in, einige Geschichten über "ausgeschüttelte Federkissen".

 Störungen in den Faszien können sehr starke, sogar chronische Schmerzen auslösen. Ich erinnere mich an Frau B.. Sie klagte über Beschwerden in beiden Beinen. Sie könne nur noch wenige 100 Meter gehen. Dann war wirklich Schluss. Eine kaum vorstellbare Einschränkung der Lebensqualität. Frau B. war damals, vor etwa 5 Jahren, Ende 50, also viel zu jung, um die Probleme mit Alterserscheinungen erklären zu wollen. Für die Ärzte war die Ursache der Rücken. Es wurde eine Bandscheibenproblematik diagnostiziert. Doch Bewegungen in der Wirbelsäule hatten keinen Einfluss auf die Schmerzen in den Beinen. Ich glaubte zunächst nicht an die Ursache Rücken. Damals stand ich am Anfang meiner "Faszienkarriere" und schlug Frau B. eine Faszienbehandlung vor. Dort, wo die Beschwerden während der Spaziergänge auftraten, waren die Beine von Frau B. hochgradig empfindlich. Ein Hinweis auf eine fasziale Störung. Ich sagte ihr, dass die Behandlung sehr schmerzhaft sein wird, aber letztendlich hätte sie ja nichts zu verlieren. Und so sagte sie: „Machen Sie mal. Wir probieren das.“ Ich war unglaublich gespannt auf unseren nächsten Termin. Ich erinnere mich gut. Sie sagte damals: „Schauen Sie mal, was sie gemacht haben.“ Sie zog die Hose runter und ihre Oberschenkel sahen aus, als wäre sie von einem Auto angefahren worden. Grün, blau und gelb. Ich glaube, ich wurde kreideweiß und dachte an meine Berufshaftpflichtversicherung. Doch im nächsten Moment klatschte sie sich mit der flachen Hand auf den blauen Fleck und sagte: „ Der blaue Fleck verschwindet mit der Zeit, aber ich war gestern mit meinem Mann 2 Stunden spazieren. Ohne Probleme. Vielen Dank, Herr Wegener.“


Herr J. kam mit Schulterproblemen. Die Diagnose war eine "Frozen Shoulder". Eine Erkrankung deren Ursache noch nicht geklärt ist. Sie beginnt mit starken Schulterschmerzen und geht über in eine Steifigkeit des Schultergelenks. So überraschend wie die "Frozen Shoulder" kommt, vergeht sie häufig auch. Der Schmerz vergeht und die Beweglichkeit kehrt langsam zurück, doch oft bleiben Bewegungseinschränkungen. Der Krankheitsverlauf kann Jahre dauern. Behandelt wird üblicherweise symptomatisch, also schmerzlindernd. Ich fragte damals ob ich es einfach mal mit einer Faszienbehandlung versuchen soll. Herr J. stimmte zu. „Warum nicht,“ sagte er damals. Tatsächlich verschwanden die beginnenden Bewegungseinschränkungen und auch die Schmerzen gingen deutlich zurück. Habe ich tatsächlich eine "Frozen Shoulder" aufgehalten? Ich weiß es nicht. Denn genau genommen war ja nicht sicher, ob Herr J. eine beginnende "Frozen Shoulder" hatte. Dieses Krankheitsbild ist schließlich noch mit reichlich Rätseln versehen. Die Diagnose vom Arzt stand allerdings fest. Bisher konnte ich Patienten mit einer fortgeschrittenen "Frozen Shoulder" nicht helfen. Doch vielleicht ist es tatsächlich möglich den beginnenden Verlauf zu unterbrechen.


Zu mir kam ein Patient mit Nackenbeschwerden. Nebenbei erwähnte er: „Obwohl, mein größtes Problem ist eigentlich zur Zeit mein rechter Fuß.“ seit einem halben Jahr plagte er sich damit rum und keiner kann ihm helfen. Da wurde ich natürlich neugierig. Ich befand mich damals in der Ausbildung zum FDM-Therapeuten (Fasziendistorsionsmodell) und die von ihm beschriebenen Symptome passten perfekt ins FDM-Lehrbuch. Die Behandlung dauerte etwa 45 Sekunden, ja, Sekunden und die Beschwerden waren weg. 2 Jahre später kam er erneut zu mir mit dem gleichen Problem. Allerdings ist er ein Bewegungsmuffel und insofern sind zwei Jahre ein hervorragender Langzeiterfolg.


Mein nächstes Beispiel hat nichts mit Faszientherapie zu tun. Doch mit Bewegung als Heilmittel. Und Bewegungstherapie liegt mir ebenso am Herzen. Frau T. war gestürzt und hatte sich mehrere Sehnen der Schultermuskulatur abgerissen. Sie war damals, vor etwa drei Jahren, Ende 70 und die Ärzte rieten ihr von einer Operation ab. Allerdings, so die Ärzte, werde sie den Arm nie wieder über 90° heben können. Zu mir kam sie mit dem Ziel, Schmerzen zu lindern und eine bestmögliche Beweglichkeit zurückzuerlangen. Ich führte mit ihr verschiedene Übungen durch und behandelte manuell ihre Schmerzen. Doch das wichtigste war folgender Ratschlag: „Hängen sie sich Zuhause einen Seilzug auf. Ziehen Sie dann so oft wie möglich mit dem gesunden Arm den kranken Arm nach oben. Der verletzte Arm muss "erkennen", dass er wieder nach oben soll. Egal wie!" Ein paar Tage später erzählte sie mir, ihr Mann habe ihr einen Seilzug mitten in den Eingang zum Wohnzimmer gehängt. Und jedes Mal, wenn sie dort vorbeigeht, also täglich sehr häufig, trainiert sie kurz am Seilzug. Nachdem meine Therapie beendet war, verdeutlichte ich ihr, dass sie mit den Hausübungen nie aufhören darf. Einige Jahre hatte ich Frau T. nicht gesehen. Nun behandelte ich Herrn T. nach einer Operation. Und ich sah, der Seilzug hängt nach all den Jahren noch immer in der Wohnzimmertür. Als ich sie darauf ansprach, hob sie den einst verletzten Arm problemlos nach oben. Sie sagte: „Der Arm hat zwar etwas weniger Kraft. Aber die Beweglichkeit ist wieder vollkommen zurückgekehrt. Die Ärzte hatten mir damals gesagt, dass das eigentlich gar nicht geht.“ Über Monate hatte sie ihre Übung am Seilzug viele Male am Tag konsequent durchgeführt. Und irgendwann, nach wirklich langer Zeit, konnte sie den Arm einfach wieder aus eigener Kraft heben. Tja, das Wunder der Bewegung und auch der Selbstdisziplin.


Einen Therapieerfolg kann und würde ich niemals garantieren. Tatsächlich halte ich therapeutische Erfolgsversprechen sogar für hochgradig unseriös. Jede Therapie ist ein Versuch. Und je nach Wahrscheinlichkeit der Ursachenkenntnis, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Therapieerfolges. Doch eine Garantie ist ausgeschlossen. Selbstverständlich habe ich Kunden und Patienten, bei denen ich nichts erreiche. Doch das ist selten. Glücklicherweise. In meinem Beruf als Physiotherapeut und Personal Trainer bin ich aufgrund von Erfahrung und Erlerntem nur selten erfolglos. Wahrscheinlich auch, da ich selbst ebenso ein Fallbeispiel bin. Bereits Ende 2016 schrieb ich einen Blog über meine erfolgreiche Selbsttherapie. Tatsächlich waren meine eigenen massiven Beschwerden die Basis für meine Bücher. Denn damals (das ist definitiv nicht pauschal zu verstehen) bekam ich keine funktionierende Hilfe von ärztlicher Seite. 2015 konnte ich über Monate keine 5 Kilogramm mit meinem linken Arm über den Kopf heben, aufgrund schwerer Probleme mit meinem Schultergürtel. Heute gehört ein einarmiger Handstand an der Wand zu meiner Trainingsroutine. Und vergangene, starke Beschwerden in meinem linken Knie wurden sogar zum Thema des letzten Kapitels meines 2. Buches. Mein Knie ist wieder topfit und belastbar. Doch zudem zeigten sich nicht nur spürbare, auch messbare Verbesserungen von Verschleißerscheinungen (u.a. Arthrose) in der Magnetresonanztomographie (MRT), also objektiv belegbar. Das ist tatsächlich sehr ungewöhnlich.


Liebe/r Leser/in, ich habe das Privileg, mit meiner Arbeit verbunden zu sein. Ich habe Spaß, an meinem Beruf. Und ich weiß, wovon ich spreche, denn ich war bereits mein eigener Patient. Gesundheit ist kein Geschenk. Wir müssen in unsere Gesundheit investieren: Zeit, Disziplin und Geduld.

NICHT AUSRU‘N, TUN!


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